Sonntag, 17. Januar 2016

Offener Brief an DIE LINKE

Roswitha Reger aus dem AK Stop Sexkauf in München hat einen offenen Brief an DIE LINKE geschrieben, den wir mit freundlicher Genehmigung veröffentlichen:

In LOTTA/Linke abgedruckt, behauptet Möhring:
"Sexarbeiterinnen haben sich bewußt für diese Arbeit entschieden." Das weiß sie also?
Ausgerechnet die Linke hat kein bißchen menschliches Gespür oder Klassenbewußtsein für die Frauen aus dem Armenhaus Europas, die hier ihre Haut zum Markt tragen. Für die wohlhabenden privilegierten Männer in Deutschland alle ihre Körperöffnungen zur Verfügung stellen - natur natürlich, d.h. ohne Kondom, alle Öffnungen - vaginal, oral, anal - heutzutage alles im Preis, steht in jedem Bordellangebot, zum Besamen, Bepissen, Faustficken, GangBang - natürlich alles völlig freie weibliche Sexualität.

Teenyland Köln - auch das Angebot könnt Ihr im Internet überprüfen - hat nur ganz junge Prostituierte, Anfängermäuschen, Zahnspange, Lolita, die grade 18 Jahre alt geworden sind. So schaut die Werbung aus. Und damit der Kunde sich wie Alice im Wunderland fühlen kann, gibt es Themenzimmer, rosa Prinzessinnenzimmer und einen Schulklassenraum. Das ist dann bei Frau Möhring die frühe weibliche Sexualität?
Schöner kann mit sexuellem Mißbrauch doch gar nicht gespielt werden.

Ausserdem schreibt sie: Das Gesetz (Neuformulierung des Prostitutionsgesetz bezüglich Anmeldung des Gewerbes)  "bildet damit nicht nur einen direkten Angriff auf Sexarbeiterinnen, sondern setzt Maßstäbe, was weibliche Sexualität sein und wo sie stattfinden darf - gegen Bezahlung oder ohne."

Wie kommt sie denn drauf, dass weibliche Sexualität was mit Bezahlung zu tun hat? An Eure frauenpolitische Sprecherin, Frau Möhring: mit Frauenkörpern können Geschäfte gemacht werden - aber weibliche Sexualität findet in der Prostitution nicht statt. Weibliche Sexualität findet in der Prostitutierung von Frauen grundsätzlich nicht statt - auch wenn Prostituierte als beruflichen Trick häufig die Stöhnnummer machen, damit der Kerl sich schneller wieder verzieht und ihm nicht sonst was noch einfällt. Zahlen müssen die Freier als Entschädigung für von den Frauen garantiert nicht gewollte sexuelle Handlungen. Für Übergriffe. Für Traumatisierung und Leid. Weibliche Sexualität hat nichts mit Geld, Geschäft oder kapitalistischer Verwertung zu tun. Und was hat weibliche Sexualität mit der Anmeldung des ProstitutionsGewerbes zu tun?



Es gibt Profiteure dieser Freiwilligkeits-Ideologie - die BordellbetreiberInnen, die gesamte Pornoindustrie, die Mafia, die Zuhälter usw.

Könnt Ihr Euch vorstellen, daß Ihr eines Tages gefragt werdet, ob Ihr das alles nicht gewußt habt - welche Blüten die neoliberale Verwertungsideologie im Kapitalismus treibt, und wie die Linke dies bejubelt hat? Und wie Ihr die Verhältnisse aus Euren Büros betrachtet und dabei nichts seht? Ihr sollt Euch nicht von der Prostitutionsindustrie einwickeln lassen (siehe Prostitutionstage), sondern mal in die Bülowstrasse gehn oder nach Dortmund Nord, oder wie wäre es mit Plauen? Bei der Atomlobby trübt es ja auch den Blick, wenn man nur mit den Lobbyisten rumhängt.

Das "deutsche Modell" mit der Legalisierung von Zuhälterei und Prostitutionsindustrie ist der legale und von Euch verteidigte Rahmen für die tausendfache Ausbeutung von Frauen aus Armutsverhältnissen. Für das Geschäft mit dem Frauenkörper. Für die Verachtung der Menschenrechtserklärung, die Prostitution eindeutig als Verletzung der Menschenrechte benennt. Ihr werdet Euch noch schämen müssen, für diese durchschaubare Männerphantasie - dass diese Frauen ihre Körper mit Lust verkaufen wollen. Aber schlimmer noch - die Armutsprostitution ist nichts anderes als moderne Sklaverei. Wie lange kann eine Zeitung oder eine Partei Ideologie verzapfen, bevor sie einmal wirklich recherchiert? Wenn es doch nur die sexuelle Befreiung ist - dann mietet euch doch wenigstens für eine Woche für ein Recherchenpraktikum in einem Bordell ein - und denkt dran, unter 7 Freier pro Tag verlasst ihr das Haus mit Schulden beim "Vermieter". Da sind Extra-Einnahmen, z.B. 30 Euro für Sperma-Schlucken, 50 Euro für Faust-Ficken (also wer es da nicht schafft den Frauen wirklich weh zu tun) schon notwendig. Faustficken steht nun mal auf den Preislisten der Bordelle. Weil dort nämlich das gemacht wird, was der Freier kauft und grade nicht, was die Frau will. Oder stellt Euch an die Straße an der tschechischen Grenze und macht die Augen auf.

Wo bleibt eigentlich die internationale Solidarität mit den rumänischen Frauen in Deutschland. Und ist dies die Form des Überlebens, mit der Ihr Frauen, die aus größter Not hierher kommen, willkommen heißt?

Im Kopf von Frau Möhring ist Prostitution sexuelle Befreiung. In Wirklichkeit kommen die Frauen zu 95% aus dem Armenhaus Europas und sind in keiner Weise frei zu wählen, auch dann nicht, wenn sie nicht mit vorgehaltener Pistole gesetzlich relevant zwangsprostituiert werden. Die Armut ist der Zwang, und die Familie, die was zum Essen braucht. Und der Markt in Deutschland, die Nachfrage nach Frischfleisch zum Billigtarif.

Die pseudolinke Ideologie von Möhring paßt nicht zu den betroffenen Menschen. Ein Blick auf die Lebensumstände und die Kultur, aus der die Frauen kommen, könnte hilfreich sein. Vielleicht solltet Ihr Euch mal mit den Realitäten in der Prostitution auseinandersetzen. Ein Blick in "Freier-Foren" z.B. wäre sinnvoll - den Eimer neben dem Bürostuhl nicht vergessen! Dort sind menschliche Wesen benutzbare Körperöffnungen und Sklavinnen, darüber hinaus könnt ihr viel Rassistisches, Sexistisches und Frauenverachtendes frei geäussert lesen. Alles legal, gibts keinen Diskriminierungsschutz, da gibt es kein Wort über Frauen, das tabu wäre. Eure Verleugnung von Frauenverachtung, Armut und Gewalt ist ganz bestimmt nicht der Weg zur Freiheit und Gleichheit. Die Freiheit solcher Ideologen ist die Freiheit der Privilegierten, die oder deren Töchter selbst nicht in die Lage kommen, diese Politik für die BordellbetreiberInnen und ZuhälterInnen mit der Benutzung ihres eignen Körpers und der Verletzung ihrer Seele bezahlen zu müssen.

Vielleicht oder wahrscheinlich gibt es Frauen, die in der Prostitution leben und sich für sich nichts anderes vorstellen. Ihnen wäre durch die Bestrafung der Freier nicht geschadet. Die Frauen, die aus der Prostitution aussteigen konnten, haben über diese Überlebensstrategie ausführlich Zeugnis gegeben. Aber dass die Linke so tut, als gäbe es die tausenden von in der Prostitution versklavten Mädchen und Frauen gar nicht, das ist wirklich absurd. Es wird Euch niemand glauben, dass Ihr das nicht gewußt habt.

Solange diese Frauenpolitik der Linken im Bundestag zum Prostitutionsgesetz vertreten wird und in LOTTA solche Männerphantasien verbreitet werden, werde ich es keinen Tag bereuen, die Partei Die Linke verlassen zu haben.

Mit feministischen Grüßen
Roswitha Reger

http://www.ardmediathek.de/tv/Reportage-Dokumentation/Die-Story-im-Ersten-Ware-M%C3%A4dchen/Das-Erste/Video?documentId=32705698&bcastId=799280

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