Mittwoch, 13. August 2014

"Prostitution in Deutschland – Fachliche Betrachtung komplexer Herausforderungen"

Dr. Anita Heiliger

Vorläufige Stellungnahme

zum (SPD)-Papier „Prostitution in Deutschland – Fachliche Betrachtung komplexer Herausforderungen“


Dieses Papier, das zur Vorlage der Beratungen am 14.8. zum weiteren Vorgehen der Koalition in bezug auf die Prostitution vorgesehen und sehr kurzfristig und selektiv zugänglich gemacht worden ist, gibt sich als fachlich, neutral, nicht wertend und komplex diskutierend aus. Das Gegenteil ist der Fall, was empörend ist angesichts des Anspruchs, den die Autorinnen erheben und dem durch eine ungewöhnlich ausführliche Darstellung der Autorinnen Kompetenz und Glaubwürdigkeit vermittelt werden soll.

Dieses ist allein durch einen Blick auf die zitierte Literatur hinfällig, die in großen Teilen eine unreflektierte und unhinterfragte Pro-Prostitutions-Position einnimmt und sich offen auf der Seite der Lobbyistinnen der Prostitution verortet, einer kleinen Gruppe von ProfiteurInnen des Prostitutionsgesetzes, die der explodierten Sexindustrie zu enormen Gewinnen und sich selbst die Absicherung ihrer persönlichen Lebens- und Erwerbssituation mit der Prostitution, vorzugsweise als Dominas, verschafft.

Die Autorinnen des vorgelegten Papiers sind offensichtlich professionell (und ideologisch) dermaßen in der Pro-Prostitutions-Sicht- und Handlungsweise verankert (und verstrickt), dass ihnen gar nicht aufzufallen scheint, dass sie zu keinerlei Distanz und Objektivität (mehr) fähig sind. Das wäre weniger problematisch, wenn nicht ständig der oben angeführte Anspruch behauptet würde. Zum Beispiel werden als Diskussion angekündigte Kapitel nicht allseits informierend, diskutierend und abwägend abgefasst, sondern sind so aufgebaut, dass die Prostitutionskritik nur unverantwortlich verkürzt erwähnt wird (leicht identifizierbar als Nachweis angeblicher Offenheit und Wissenschaftlichkeit). In der Weiterführung der Kapitel wird die Pro-Prostitutions-Position argumentativ als die die einzig richtige und zielführende Perspektive und Haltung scheinbar logisch entwickelt. Diese Strategie ist durchsichtig und prägt das gesamte Papier, das manipuliert und sich damit selbst fachlich und wissenschaftlich disqualifiziert und als politische Beratung kontraindiziert ist.


Die kritische Position zu Prostitution in vielen Teilen der Bundesrepublik wird in dem Papier lächerlich gemacht und diskriminiert. Die gesellschafts- und geschlechterpolitische Perspektive erscheint nur als Vehikel ihrer Diskriminierung, die „Freiheit der Berufswahl“ bezieht sich lediglich auf eine kleine Gruppe von Prostitutions-Lobbyistinnen, die die komplette Prostitutions-Bejahung und völlige Ausblendung der hohen Problematik und Risiken der Prostitutions-Realität blind voraussetzt. Die Struktur dieser Lobby, ihrer „Selbsthilfeorganisationen“ und ihrem Eindringen in die Politik benötigt eine eigene Analyse, die bereits in Arbeit ist.

Am Leichtesten ist die manipulative Abfassung des Papiers auch für Leute, die nicht intensiv in die aktuellen Diskussionen eingebunden sind, am Beispiel der Darstellung und Wertung des „schwedischen Modells“. Hier werden fast ausschließlich Autorinnen direkt aus der Szene der Prostitutionslobby herangezogen (Dodillet, Henning, Östergren), die mit der völligen Negierung der schwedischen Erfolge nur ihre eigenen karrieristischen und machtpolitischen Interessen vertreten. Die Verantwortlichen des vorliegenden Papiers halten offenbar diese zitierten Beiträge als völlig ausreichend, um das schwedische Modell gar nicht erst darstellen zu müssen. Unwissenschaftlicher und manipulativer geht’s gar nicht. Schweden hat eine ausführliche Studie zur Bewertung ihrer Prostitutionspolitik und ihren Auswirkungen vorgelegt, in der alle Aspekte behandelt werden. Diese Studie wurde im Papier noch nicht einmal erwähnt, nur als Negation in der Kritik der Lobbyistinnen!!

Der in meinen Augen interessanteste Aspekt des schwedischen Beispiels ist der Wandel des Männlichkeitsverständnisses, der in Schweden auf dem Weg ist. Jungen und Mädchen lernen z.B. in der Schule, dass sexuelle Verfügung über einen anderen Menschen nicht ok ist, kein Mann kann sich mehr damit brüsten, zu Huren zu gehen, das Geschlechterverhältnis erhält einen weiteren Schub im Hinblick auf Gleichberechtigung.

Die Feststellung in dem vorgelegten Papier, in den abolitionistischen Ländern fänden keine berufliche Förderung und Qualifizierung statt (S. 27) soll offensichtlich diejenigen irreführen, die sich in der Debatte nicht auskennen, zumal eben die Darstellung der abolitionistischen Praxis komplett fehlt: Selbstverständlich wird Prostitution im Abolitionismus, in den Ländern die den Sexkauf ablehnen, nicht gefördert – welche Überraschung! Und damit gibt es natürlich keine „berufliche Förderung und Qualifizierung“ für die Prostitution. Prostituierte werden jedoch im „schwed. Modell“ weder diskriminiert noch kriminalisiert, sie erhalten jede Hilfe, Schutz, alternative Ausbildungs- und Arbeitsmöglichkeiten - nicht nur, wenn sie aus der Prostitution aussteigen, was selbstverständlich in diesem Konzept gefördert wird! Angesichts der weltweit erhobenen Daten (vgl. Melissa Farley u.a.), dass rund 90% der Prostituierten aussteigen würden, wenn sie Ausbildungs- und Arbeitsmöglichkeiten bekommen, mit denen sie ihr Leben ausreichend finanzieren können, ist dies die relevante Botschaft an die Politik. In diesem Zusammenhang steht allerdings auch der einzige Punkt in dem vorgelegten Papier, dem fraglos zugestimmt werden kann. Die BRD ist mit der Legalisierung der Prostitution noch weniger aktiv als zuvor, qualifizierte Ausbildungs- und Arbeitsmöglichkeiten für Frauen in der Breite – nicht nur für Eliten und Mittelklasse – zu fördern, weg von der schlechten Bezahlung und Perspektivlosigkeit der sogenannten Frauenberufe. Dieser anhaltende Mangel verschafft der Prostitutionsindustrie stetig wachsenden Nachschub, solange Prostitution mit dem Gesetz von 2002 als legale Alternative quasi angeboten wird.

Abschließende Bitte:


Ich bitte Sie als Abgeordnete des Bundestages, der Prostitutionslobby mit ihren scheinbar schlüssigen Argumenten, ihnen ginge es um den Schutz der Prostituierten, nicht nachzugeben, sondern eine gesamtgesellschaftliche Perspektive einzunehmen, die die politisch so hart erkämpfte Gleichberechtigung der Geschlechter sichert und weiterhin voranbringt. Fördern Sie keine Männlichkeit, die Jungen und Männern das staatlich anerkannte Recht gibt, für Geld zu jeder Zeit und in jeder Weise sexuell über Frauen zu verfügen. Auf diese Weise sind Männer nicht mehr aufgerufen, sich neu zu erfinden in einem real gleichberechtigten Verhältnis zu Frauen ohne Dominanzanspruch und in der Befähigung zur Aushandlung von Wünschen und Bedürfnissen – insbesondere auch hinsichtlich der Sexualität. Erlauben Sie nicht, dass extrem demütigende Praxen an Prostituierten erlaubt und sogar noch weiter gefördert werden. Hören Sie auf die Aussagen der Exprostituierten zur Realität in der Prostitution und ihren Folgen. In allen Ländern haben sie begonnen, vehement die Abschaffung der Prostitution und die Sanktionierung der Freier zu fordern (vgl. Heiliger: Die Realität in der Prostitution, in: kofra 148/2014, herunterladbar unter: www.kofra.de/zeitung).

Dr. Anita Heiliger, 10.8.2014 für den „AK Abbau der Prostitution“ im Kofra e.V. , München

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